Wer entscheidet eigentlich über den Ausbau - und wie?
Trotz des vorläufigen Stopps der Ausbaupläne bleiben die nachfolgenden Informationen aktuell - denn vorläufig bedeutet bei der jetzigen Landesregierung leider nicht endgültig.
Bei der Diskussion über den Ausbau gibt es eine ganze Palette an Argumenten pro und kontra: Wachstumspotenziale, Umweltbelastungen usw. In der Debatte entsteht manchmal – gewollt? – der Eindruck, als gebe es vorgegebene Kriterien, die bei der Entscheidung den Ausschlag geben würden. Dabei geht manchmal der Blick darauf verloren, wer eigentlich auf welcher Grundlage entscheidet.
Zwei Gutachten
Die Initiative für den Ausbau des Stuttgarter Flughafens geht von den Geschäftsführern der Flughafen Stuttgart Gesellschaft (FSG), Georg Fundel und Walter Schoefer, aus. Die FSG hat ihre Pläne in einem Gutachten ausführlich vorgestellt. Darin fordert die FSG den Bau einer zweiten Start- und Landebahn, die Verkürzung des Nachtflugverbots und den Ausbau der umgebenden Infrastruktur (v. a. der Autobahn A8 und der Bundesstraße B27). Zahlreiche Kommunen, Parteien und Verbände sowie die Opposition im baden-württembergischen Landtag haben ihre Ablehnung deutlich gemacht. Die Landesregierung hat mit der Mehrheit von CDU und FDP beschlossen, ein zweites Gutachten einzuholen. Darin sollen auch die Bedenken der Ausbaugegner geprüft werden. Dieses Gutachten wurde bereits verschoben; es wird voraussichtlich Ende des Jahres 2008 vorliegen.
Kriterien für die Entscheidung
Fest steht aber, dass es keine objektiven Kriterien gibt, die eine zwingende Entscheidung in die eine oder andere Richtung rechtfertigen. Daran ändert kein Gutachten etwas. Die Entscheidung ist und bleibt eine rein politische Abwägung. D. h. die Kriterien unterliegen einer Priorisierung seitens der politischen Entscheidungsträger. Ein Beispiel: Wird das weitere Wachstum des Flugverkehrs am Stuttgarter Flughafen für wichtiger erachtet als die Interessen der betroffenen Bewohner vor zusätzlichem Lärm und Schmutz? Dass es keine zwingenden Sachkriterien gibt, erklärt die zum Teil sehr emotional geführte Debatte.
Politisch Verantwortliche
Die verbindliche Abstimmung findet im Aufsichtsrat der FSG statt. Das Land Baden-Württemberg hält die Mehrheit an der FSG und bestimmt damit in deren Aufsichtsrat über die strategischen Weichenstellungen des Flughafens. Die maßgebliche Entscheidung trifft daher die Landesregierung von Baden-Württemberg mit ihren Kabinettsmitgliedern aus CDU und FDP. Um alle nötigen Beschlüsse durchsetzen zu können, benötigt sie jedoch den parlamentarischen Rückhalt in Form einer Landtagsmehrheit. Insofern kommt es auch darauf an, wie sich die Landtagsfraktionen von CDU und FDP verhalten. SPD und Grüne haben jeweils ihre geschlossene Ablehnung bekräftigt. Es wird deshalb bei jedem und jeder einzelnen Abgeordneten darauf ankommen, wie er oder sie sich verhält.
Politisch heikel wäre es zudem, wenn der Beschluss im Aufsichtsrat der FSG gegen den Willen der Minderheitseignerin Stadt Stuttgart getroffen würde. Es ist daher letztlich zwar nicht ausschlaggebend, aber doch von einigem politischen Gewicht, wie der Stuttgarter Gemeinderat entscheidet. SPD, Grüne und Freie Wähler haben sich als große Fraktionen bereits gegen den Ausbau festgelegt und stellen damit bislang eine Mehrheit.
Öffentliche Meinung
Wie sich die politischen Entscheidungsträger verhalten, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie die öffentliche Meinung zum Thema ist. In diesem Konzert der Meinungen spielen unzählige Akteure mit: Von A wie Aktionsgemeinschaften bis Z wie Zeitungsredakteure. Auch Sie als "einfache" Bürgerin oder Bürger haben durchaus die Möglichkeit, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Wie genau, das können Sie in der entsprechenden Rubrik nachlesen.
Was wäre wenn?
Angenommen, im Landtag findet sich eine Mehrheit für den Ausbau, dann würde der Stein ins Rollen kommen – und wäre kaum noch aufzuhalten. Die Landesregierung würde im Aufsichtsrat der FSG grünes Licht geben und die entsprechenden Beschlüsse fassen lassen. Es folgte dann zwar noch ein langwieriges Planungs- und Genehmigungsverfahren mit Einsprüchen bis hin zu Gerichtsverhandlungen, aber die Chancen, das Projekt doch noch zu verhindern wären äußerst gering. Denn anders als beim Bau der neuen Landesmesse auf den Fildern wären die Enteignungen juristisch weniger angreifbar. Hat der Landtag erst einmal die Grundsatzentscheidung getroffen, wären die Folgebeschlüsse reine Formsache.
Aber: Noch ist die Entscheidung völlig offen!
Es muss deshalb gelingen, durch frühzeitigen und dauerhaften politischen Druck auf die politischen Entscheidungsträger in CDU und FDP im Land die Grundsatzentscheidung für den Flughafenausbau zu verhindern. Machen Sie mit!
Vorsicht Falle!
Die Forderung der FSG nach einer Verkürzung des Nachtflugverbots von bisher 23 bis 6 Uhr auf künftig 23 bis 5 Uhr wird teilweise als Alternative bzw. kleineres Übel dargestellt. In diese Falle sollte man nicht tappen. Auch für das Nachtflugverbot gilt: Es gibt keine zwingenden sachlichen Kriterien, sondern eine politische Abwägung. Diese ist unabhängig vom Bau der zweiten Start- und Landebahn zu treffen. "Kompromissvorschläge" in diese Richtung sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, wie die Vergangenheit lehrt: Schon nach der Verlängerung der Startbahn in den 1990er Jahren hatte die CDU-Landesregierung (Ministerpräsident Späth) versprochen, dass damit das Ende der Fahnenstange erreicht sei. Nach dem Bau der neuen Landesmesse versprach sie, dass es auf den belasteten Fildern keine weiteren Großprojekte geben werde (Ministerpräsident Teufel). Die aktuelle Debatte zeigt, dass darauf leider kein Verlass ist.